weit, weiter, …

Ich bewundere immer wieder Menschen, die an Ultra-Rennen teilnehmen und dabei täglich 200+ Kilometer zurücklegen. Nachdem ich im Rahmen der RideFAR Challenge ja bereits die 190km Marke geknackt hatte, wollte ich einmal versuchen, ob ich auch noch weiter komme und über 200km am Stück schaffe. Da für die Osterfeiertage ein Familienbesuch in Göttingen anstand, hab ich das als die Gelegenheit gesehen, dorthin erneut mit dem Fahrrad zu fahren … diesmal dann ohne Übernachtung und am Stück.

Damit ich das Osterwochenende mit der Familie verbringen kann, habe ich mir den Gründonnerstag frei genommen und bin in die Komoot-Routenplanung eingestiegen. Diesmal sollte mich die Route etwas weiter nördlich führen, sodaß ich nicht den Vogelsberg direkt durchqueren muss, sondern nur seine Ausläufer. Leider zeichnete sich bereits ein paar Tage vorher ab, dass der Radeltag vermutlich der einzige mit durchwachsenem Wetter und etwas Regen sein würde, aber dafür konnte ich ja die richtige Kleidung einpacken. Am Abend vorher habe ich dann das Gravelbike nochmal durchgecheckt, die Kette geölt und die Taschen für Werkzeug und Verpflegung angebracht. Auch die Ladung der Beleuchtung habe ich nochmal überprüft, da ich spätestens um 4 Uhr morgens aufbrechen wollte, damit ich möglichst nach hinten raus nicht in die Dunkelheit fahren muss.

Nach einer Schale Haferflocken mit etwas Obst als Grundlage fuhr ich wie geplant zeitig los. Auch wenn ich viele Wege der Strecke kannte, ging es auf Grund der Dunkelheit mit geringerer Geschwindigkeit los. Im Licht der Fahrradbeleuchtung ist halt doch nicht so viel an Weg zu erkennen und man kann nicht rasen. Sobald ich aus den Ortschaften raus kam und über Feldwege in der freien Pläne war, blies mir auch noch ein zwar angenehm warmer, aber stetiger, Wind entgegen. Die Strecke führte mich durch bekannte Gegend über Oberursel, Bad Homburg und Friedrichsdorf in die Wetterau und dann über Friedberg und Wölfersheim in Richtung Hungen und den Ausläufern des Vogelsberg. Ab hier ging es dann auch langsam aber stetig bergauf, allerdings sehr angenehm auf gut ausgebauten und asphaltierten Radwegen, sodaß sich die 2-5% Steigung in den noch frischen Beinen nicht bemerkbar machten. Erst bei und in Grünberg gab es dann etwas mehr Steigung und es war Zeit für eine Pause und das zweite Frühstück. Eine Bäckerei war in dem gemütlichen, historischen Stadtkern schnell gefunden und so gab es zur Stärkung ein Nougatteilchen und einen Milchkaffee. Leider setzte zum Ende der Pause dann auch der angekündigte Nieselregen ein und ich machte mich wieder in den Sattel, in der Hoffnung, dass es bei einem kurzen Schauer bleibt.

Leider sollte sich dies nicht Bewahrheiten und es blieb bis zum frühen Nachmittag bei einem stetigen Regen. Weiter ging die Fahrt bergauf bis kurz hinter Atzenhain der erste Höhenzug der Fahrt überwunden war. In einer flotten Abfahrt ging es hinunter nach Homberg (Ohm) und über Stadtallendorf in Richtung Schwalm. In Treysa legte ich ein schnelles Mittagessen beim Bäckerei, aber auch hier lud das Wetter nicht zum Verweilen ein. In leichtem Auf und Ab ging es weiter durch die Schwalm und über Frielendorf zur nächsten Bergetappe. Diese zog sich durch Homberg/Efze und danach über 3km mit 150 Höhenmetern und teilweise Steigungen von 15-20%; nach bereits 150km in den Beinen kein Spaß.
Bei Ostheim wollte ich dann die A5 überqueren, musste aber feststellen, dass die Brücke wegen Bauarbeiten gesperrt war … also schnell das Handy gezückt und auf GoogleMaps eine Alternative gesucht … zum Glück war die nächste Möglichkeit über die Autobahn nur ein Umweg von wenigen Kilometern. Auf der anderen Autobahnseite beim Autohof Malsfeld wurden mir dann weitere Straßensperrungen bei Malsfeld bzw. Melsungen angekündigt, aber in der Hoffnung mit dem Fahrrad schon irgendwie einen Weg zu finden, habe ich diese ignoriert. Die Strecke führte mich nun auf 5km entlang einer stark befahrenen Bundesstraße, was keinen Spaß gemacht hat … aber wenigstens war die Sperrung, als ich ankam gerade wieder aufgehoben, sodass ich meiner Strecke weiter Richtung Spangenberg folgen konnte. Ab Spangenberg war mir die Route auch wieder von meinem Overnighter im Vorjahr bekannt, was dann doch irgendwie beflügelt hat.

Nach Spangenberg ließ dann auch endlich der ewige Nieselregen nach und es kam tatsächlich die Sonne raus. Das hob die Stimmung, die vorher schon etwas gelitten hatte. Das war auch dringend nötig, denn es lag wieder eine langgezogene Steigung nach Hessisch Lichtenau vor mir. In möglichst kleinem Gang und mit gleichmäßigem Tritt kämpfte ich mich langsam die gewundene Straße hoch. Oben auf dem Buckel ging es diesmal an Hess. Lichtenau vorbei, allerdings nicht ohne einen schnellen Stop an der Tanke, um mir noch einen Iso-Drink zu besorgen, da die Oberschenkel mittlerweile ordentlich brannten. Jetzt ging es bei angenehmen Wetter durch schöne nordhessische Landschaft mit kleinen Dörfern wie Laudenbach, Uengsterode und Trubenhausen entlang des idyllischen Laudenbachtals.

Von Hundelshausen ging es dann über den schönen Gelster-Radweg, eine ehemalige Bahntrasse, nach Witzenhausen. Dort wollte ich eigentlich um den Ort herumfahren und eine kürzere Route über eine Fußgänger/Radfahrer-Brücke über die Werra bei Unterrieden nehmen, aber diese wurde gerade renoviert und war gesperrt, also musste ich unverrichteter Dinge wieder umdrehen und durch Witzenhausen über die Werra fahren. Hinter Witzenhausen machte ich noch eine kurze Pause, da ich wußte, dass der letzte, recht knackige Anstieg nach Eichenberg noch vor mir lag. Diesen hat ich von meiner letzten Tour mit seinen 15% Steigung noch sehr präsent. Trotz der inzwischen sehr müden Beine kämpfte ich mich ohne abzusteigen den Berg hoch und ließ danach den letzten Tourabschnitt nach Göttingen etwas langsamer angehen. Der Weg führte mich hier dann noch über Friedland und Groß Schneen, bis ich endlich entlang der B27 die Stadtgrenze von Göttingen erreichte.

Insgesamt saß ich knapp 12:30 Stunden im Sattel um die 238km mit 2.450 Höhenmetern zu schaffen. Fahrtzeit mit Pausen waren 15 Stunden. Mit diesem Ergebnis bin ich mehr als zufrieden. Ich konnte mir selber beweisen, dass ich, mit dem richtigen Mindset, auch Strecken in dieser Größenordnung schaffen kann. Ich werde nie ein Ultra-Radfahrer werden … aber es ist schön, wenn man seine eigenen Grenzen erfolgreich testet und verschieben kann.

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