Tag 1
Ich habe mich schon seit längerem mit dem Gedanken beschäftigt, mal eine Bikepacking-Tour zu machen. Ich fahre mittlerweile seit bestimmt 5 Jahren regelmäßig Rad und habe seit ich mir im Frühjahr ein Gravelbike zugelegt habe, auch mal längere (< 100km) Tagestouren gemacht, so dass es für mich der nächst-logische Schritt war.
Als erstes sollte es nur ein Overnighter sein, aber mit einer Strecke, die mich schon etwas herausfordert. So kam ich auf die Idee meine Eltern in Göttingen zu besuchen … das sind ca. 250km von Schwalbach und somit 2 ganz ordentliche Tagesstrecken. Die Planung der Tour habe ich auf Komoot gemacht, da ich die App dafür sehr gut finde. Zur Übernachtung wollte ich mir eine Schutzhütte suchen, bei der ich entweder im Zelt oder direkt im Biwaksack übernachten kann. Hier bin ich dann bei Outdoor-Karte fündig geworden.
Neben einigen längeren Tagestouren (>150km) habe ich mir zur Vorbereitung viele Youtube Videos von deutschen und internationalen Bikepackern angeschaut und mir einiges an Ausrüstung, und vor allem Fahrradtaschen, dazugekauft.
Dann wurde das Fahrrad bepackt und am Morgen des 28. Juli 2021 ging es los.
Der erste Teil der Route führte noch durch bekannte Gegend … bei Eschborn raus ins Grüne und dann Richtung Nidderau und über den Vulkan-Radweg in den Vogelsberg. Eine schöne Streckenführung durch Felder und Wiesen, vobei an kleinen Orten und Dörfern. Am Anfang musste ich mich noch an das Verhalten meines Bikes mit dem ganzen Gepäck gewöhnen, aber da die Strecke hauptsächlich über Feldwege und Radwege ging, war es kein Problem. Ich war froh, dass es die ersten 60km der Tour im Flachland mit wenig Steigungen verlief … erst dann kam mit dem Anstieg nach Schotten und später Ulrichstein die erste Bergetappe und Herausforderung.
Störche in der Nidderau Maisfelder Eine erste Pause bei Michelnau Nidda-Stausee bei Schotten Nidda-Stausee
Der Anstieg im Vogelsberg verlief meist mit angenehmen 5% Steigung, allerdings gab es auch das ein oder andere Teilstück jenseits der 10%, was nur in den kleinsten Gängen zu bewältigen war. Ordentlich abgearbeitet kam ich im höchsten Punkt der Strecke in Ulrichstein an und habe dort erst einmal eine Mittagspause im Bushäuschen eingelegt. Raus aus dem Vogelsberg ging es zügig bergab in Richtung Alsfeld, vorbei an Windrädern und Angus Rindern. Nach 90% der geplanten Strecke für diesen Tag war es an der Zeit für eine kleine Kaffeepause und Kuchenbelohnung.
Windräder am Horizont Moooooohhh Belohnung
Nach der Pause sollten es noch 10-12km bis zu der Schutzhütte sein, die ich mir herausgesucht hatte. Sie lag etwas oberhalb eines Dorfes im Wald und laut Beschreibung sollte es dort sogar in irgendeiner Art Toiletten geben. Alles in allem also eine gute Grundlage für eine Übernachtung. Leider stellte es sich bei Ankunft heraus, dass es sich hier nicht um eine öffentliche Schutzhütte, sondern wohl um eine Jagd- oder Waldarbeiter-Hütte handelte, die zum einen verschlossen war und zum anderen auch in der Umgebung nicht zum Zelten einlud. Also habe ich Google bemüht um herauszufinden, ob irgendwo entlang der Strecke in 20-25km vielleicht ein Campingplatz oder etwas ähnliches zu finden war, da ich nicht nochmal nach Schutzhütten irgendwo abseits des Weges suchen wollte, und bin tatsächlich auch auf 2 Optionen gestoßen. Allerdings hieß das bei Beiden, dass ich noch heute, nach bereits 130 gefahrenen Kilometern, den Knüll-Anstieg bezwingen musste, den ich mir eigentlich für den nächsten Morgen mit ausgeruhten Beinen vorgenommen hatte.
Aber was soll man machen – also hieß es Zähne zusammenbeissen und wieder auf’s Rad schwingen. Natürlich setzte nach kurzer Zeit dann auch der einzige Regen der Fahrt ein, sodass ich mich in meiner Regenjacke schwitzend bei ständigem Niesel auf einer vielbefahrenen Landstraße den Knüll nach Schwarzenborn hochquälen musste. Zu meinem Glück fand ich dann aber 6km vor dem Campingplatz eine sehr geräumige Schutzhütte am Weg und entschied mich direkt dort mein Nachtlager aufzuschlagen … es reichte sogar nur der Biwaksack und ich musste mein Zelt nicht einmal auspacken.
Leider verschlossen und kein guter Übernachtungsplatz Glück muss man haben … Biwaklager Das Wetter hat sich auch wieder eingekriegt! Abendstimmung Chillen nach 145km
Tag 2
Die Nacht alleine hatte ich schon vor meiner Tour als eine der größeren Herausforderungen gesehen und sobald es stockdunkel war, setzte auch eine gewisse Unruhe ein. Ich habe versucht einigermaßen früh zu schlafen, aber erst flogen ein paar Vögel in der Abenddämmerung immer wieder in und aus der Schutzhütte, und sobald es dunkel war, lösten ein paar Fledermäuse sie ab. Aber irgendwann kam ich dann doch zur Ruhe und in der Nacht wurde ich nur einmal durch einen neugierigen Hasen aufgeschreckt, schlief aber ansonsten bis um ca. 5 Uhr früh durch. In der Morgendämmerung gab es ein kurzes Frühstück und ich genoss die Stille, bevor ich mir die Tagesroute nochmal ansah und mich wieder in den Sattel schwang.
morgens um 5 ist die Welt noch in Ordnung
Nach einem kurzen Stop an der nächsten Tankstelle zum Auffüllen der Wasservorräte, hat Komoot mich den ersten Teil der Strecke dann ziemlich geärgert und über verschlammte und zugewachsene Waldarbeiter-Wege geführt, die vielleicht für ein Mountainbike geeignet gewesen wären, aber nicht für die gewählte Fahrrad-Option.
Nach 25km ist dann mein Bruder dazugestossen, der die Strecke von Altenmorschen nach Göttingen mit mir gemeinsamen gefahren ist. Die Route führte uns durch das nordhessische Bergland über Spangenberg nach Hessisch Lichtenau. Hier gönnten wir uns einen Kaffee und Stückchen aus einer Bäckerei.
Burg Spangenberg … und wieder bergauf Brothers on Bikes
Frisch gestärkt ging es auf die letzte Etappe durch die Werra-Meißner-Region über Hundelshausen nach Witzenhausen. Danach wartete die letzte intensive Steigung nach Eichenberg auf uns. Hier merkte ich meine müden Beine und das Gepäck bei 8-10% Steigung schon recht ordentlich und war heilfroh, als wir oben angekommen sind und es nur noch 25km bis nach Göttingen waren. Die letzte Teilstrecke zum Teil entlang des Leine-Radwegs fuhr sich gut und wir erreichten Göttingen in guter Stimmung.
Die letzte Steigung Fast schon ein Gipfelkreuz in Eichenberg
Als Fazit kann ich sagen, dass mein erstes Bikepacking-Abenteuer viel Spass gemacht hat, auch wenn es mich an einigen Stellen der Strecke schon an einige Grenzen geführt hat … aber das war ja auch der Sinn der Sache. Es hat auf jeden Fall Lust auf mehr gemacht und es wird nicht die letzte Mehr-Tages-Tour gewesen sein.